Pädagogik

Jede Erziehung ist Selbsterziehung, und wir sind eigentlich als Lehrer

und Erzieher nur die Umgebung des sich selbst erziehenden Kindes.

Rudolf Steiner

Grundmotive der Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik wurde im Jahr 1919 von Rudolf Steiner in Stuttgart begründet. Ziel der Waldorfpädagogik ist die Entwicklung des Menschen zu einem freien Individuum, das seinen eigenen Platz in der Welt findet, an dem es wirken kann. Bildung ist daher in der Waldorfpädagogik primär kein Selbstzweck, sondern Erziehung zur Freiheit. Denn nur in Freiheit kann der Mensch seine Fähigkeiten voll entfalten und der Gesellschaft neue Impulse geben, die sie zur Fortentwicklung braucht. Bildung ist dabei das Mittel zur Entfaltung und Ausbildung des Menschen in all seinen Fähigkeiten.

Als erste Gesamtschule haben die Waldorfschulen das Prinzip der Auslese durch eine Pädagogik der Förderung ersetzt.

In einem einheitlichen Bildungsgang, der im Kindergarten beginnt und mit dem 12. oder 13. Schuljahr abschließt, werden Schüler*innen unterschiedlichster Begabungsrichtungen nach dem Lehrplan der Waldorfschulen unterrichtet. Das pädagogische Konzept umfasst neben der Schule auch die frühkindliche Erziehung (0 bis 3 Jahre) in Spiel- und Krippengruppen, im Kindergarten sowie die Betreuung nach dem Unterricht (verlässliche Grundschule, flexible Nachmittagsbetreuung).

Alle Schüler*innen durchlaufen ohne Sitzenbleiben 12 bzw. 13 Schuljahre. Das Erlernen und Üben sozialer Kompetenzen in einer möglichst stabilen Klassengemeinschaft wird dabei als ebenso wesentlich erachtet wie die Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein für die Mitmenschen und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.



BESONDERHEITEN DER WALDORFPÄDAGOGIK

Ganzheitliche Erziehung

Die Waldorfpädagogik sieht den Menschen als Einheit von Körper, Geist und Seele. Die Erziehung soll alle diese Aspekte gleichermaßen fördern.



Altersspezifische Pädagogik

Die Entwicklung des Kindes wird in siebenjährige Phasen gegliedert (Jahrsiebte), wobei jedes Jahrsiebt spezifische pädagogische Ansätze und Lerninhalte erfordert.


Eurythmie

Eine Bewegungskunst, die Sprache und Musik in körperliche Bewegungen übersetzt, um die harmonische Entwicklung des Menschen zu unterstützen.


Künstlerische Betätigung

Kunst, Musik und Handwerk spielen eine zentrale Rolle im Unterricht und fördern die Kreativität und Ausdrucksfähigkeit der Kinder.


Epochenunterricht

Fächer werden in Blöcken von mehreren Wochen (Epochen) unterrichtet. Dadurch tauchen die Schüler*innen tief in das jeweilige Thema ein und verinnerlichen das erworbene Wissen im gleichzeitigen Tun.

Individuelle Förderung

Die Waldorfpädagogik legt großen Wert auf die individuelle Entwicklung jedes Kindes und passt den Unterricht entsprechend den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schüler*innen an.


Lebensnahe Bildung

Praktische und lebensnahe Fähigkeiten wie Gartenarbeit, Handwerk und Haushaltsführung sind Teil des Lehrplans.


Moralische und ethische Erziehung

Die Entwicklung von sozialer Verantwortung, Mitgefühl und ethischem Bewusstsein wird stark betont.


Weltanschauung und Spiritualität

Die Waldorfpädagogik hat eine spirituelle Dimension, die auf den anthroposophischen Ideen Rudolf Steiners basiert. Der Mensch wird in der anthroposophischen Weltanschauung in einen größeren kosmischen und spirituellen Zusammenhang gestellt.



Unterstufe (Klasse 1-4): Die Sinne wecken für die Welt

Die Unterstufe gibt Geborgenheit und fördert das Wahrnehmen der Welt mit allen Sinnen. Wir greifen das kindliche Bedürfnis nach lebendiger Bewegung ebenso auf wie die oft noch träumende Anteilnahme an den täglichen Erzählungen. Innere Bilder sollen sich in Ruhe entwickeln können, die Phantasiekräfte beflügeln und zu einem schöpferischen Gestalten führen. Sprache, Musik, Malen und praktisches Tun werden in einem rhythmisch gegliederten Wechsel geübt.

Mittelstufe (Klasse 5-8): Verständnis für die Gesetze der Welt – Kausalität als ordnende Kraft

Die Mittelstufe lässt die Welt in ihrer Vielfalt durch Zuhören, künstlerisches Gestalten wie auch eigenes und gemeinsames Tun immer mehr in das Blickfeld der jungen Menschen rücken. Mit zunehmendem Alter werden die Jugendlichen durch Üben anhand genauer Beobachtungen naturwissenschaftlicher Phänomene zu einem selbstständigen Erkennen von Kausalitäten geführt.

Oberstufe (Klasse 9-13): Blick in die Welt – Auseinandersetzung mit den Wissenschaften

Die Oberstufe dient der verstärkten Auseinandersetzung mit den Natur- und Geisteswissenschaften. Ziel ist nun, eine individuell geführte seelisch-geistige Beweglichkeit zu veranlagen, die die Heranwachsenden in den verschiedensten Lebensfeldern zu urteilsfähigen Menschen

werden lassen kann. Ideale für ihren eigenen Lebensweg können heranreifen.

Typisch Waldorf

Häufig gestellte Fragen

Worin unterscheiden sich Waldorfschulen überhaupt von anderen Schulen?

Waldorfschulen wollen gleichermaßen intellektuelle, kreative, künstlerische, praktische und soziale Fähigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen entwickeln. Meist vom ersten Schuljahr an lernen Waldorfschüler*innen zwei Fremdsprachen. Jungen und Mädchen stricken, nähen und schneidern gemeinsam in der Handarbeit und sägen, hämmern und feilen zusammen im Werkunterricht. In jeder achten und zwölften Klasse studieren sie ein anspruchsvolles Theaterstück ein und setzen sich in einer großen Jahresarbeit mit einem Thema ihrer Wahl in Theorie und Praxis auseinander. Die an anderen Schulen unbekannte Fächer Gartenbau und Eurythmie sind feste Bestandteile des Lehrplans.

Wer war Rudolf Steiner und was hat er mit der Waldorfpädagogik zu tun?

Rudolf Steiner ist der Begründer der Waldorfpädagogik. Emil Molt, Besitzer der damaligen Waldorf Astoria Zigarettenfabrik, gründete mit ihm zusammen die erste Waldorfschule in Stuttgart. Inhalt und Methode der Waldorfpädagogik bauen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auf. Heute kümmert sich die Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen um die stetige Aktualisierung und Weiterentwicklung des Rahmenlehrplans. Neben der Pädagogik fanden Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen - er nannte sie Anthroposophie - auch Eingang in die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Anthroposophische Medizin und die Kunst.

Stimmt es, dass es an Waldorfschulen keine Noten und kein Sitzenbleiben gibt?

Auch wenn Waldorfschulen in der Unter- und Mittelstufe auf Noten verzichten, werden die Schüler*innen arbeiten selbstverständlich gewürdigt. An Stelle der Noten stehen individuelle Beurteilungen, in denen die Lehrer*innen gleichermaßen auf die Persönlichkeits-entwicklung und die Lernfortschritte ihrer Schüler:innen eingehen. Es zählt also nicht allein der Wissensstand, sondern die Gesamt-entwicklung in einem bestimmten Zeitraum. Waldorfschüler*innen lernen von der ersten bis zur zwölften Klasse in einer stabilen Klassengemeinschaft, unabhängig vom angestrebten Schulabschluss: Niemand wird unterwegs Sitzengelassen.

Ohne Noten und ohne Sitzenbleiben: sind die Kinder dann überhaupt zum Lernen motiviert?

Da der Waldorfunterricht sehr handlungsorientiert und auf die jeweilige Entwicklungsphase der Schüler*innen abgestimmt ist, stellt sich diese Frage nur selten. Eigeninitiative entwickeln die Kinder und Jugendlichen nicht aufgrund von äußerem Leistungsdruck, sondern aus lebendigem Interesse und persönlicher Begeisterung für die vielfältigen Unterrichtsinhalte. Diese gestaltet die Lehrkraft kreativ und lebensnah, sodass sie sich an der persönlichen Erfahrungswelt der Kinder orientieren und ihnen eigene Erlebnisse vermitteln. Waldorflehrer*innen bereiten sich auf diese anspruchsvolle pädagogische Tätigkeit an eigenen Seminaren und Hochschulen vor.

Ist Waldorfpädagogik nicht so etwas wie das Vorgaukeln einer heilen Welt? Kommen die Schüler*innen später mit der „harten Realität“ zurecht?

Die Praxis zeigt, dass gerade Waldorfschüler*innen von Ausbilder*innen besonders geschätzt werden. In einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, entwickeln sich Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken, vom ersten Schultag an. Umfangreiche Absolvent*innen-Studien zeigen, dass Waldorfschüler*innen in allen Studien- und Berufsfeldern sehr erfolgreich studieren und arbeiten.

Ist die Waldorfschule eigentlich teuer?

Es ist ein Prinzip der Waldorfschule, kein Kind aus finanziellen Gründen abzulehnen. Da aber die Zuschüsse an freie Schulen in allen Bundesländern niedriger sind als jene, die staatliche Schulen erhalten, müssen Waldorfschulen Schulgelder von den Eltern verlangen – obwohl sie erwiesenermaßen besser wirtschaften als Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Um dennoch allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, bilden die Lehrenden und Eltern Solidargemeinschaften, die zwar an jeder Schule etwas anders ausgestaltet sind, sich aber immer darum bemühen, die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Familien auszugleichen.

Warum haben die Kinder in den ersten acht Schuljahren nach Möglichkeit ein und dieselbe Klassenlehrer*in?

Inzwischen ist wissenschaftlich gut erforscht, dass eine vertrauensvolle Beziehung die wichtigste Basis für das Lernen ist. So können Kinder sich in einer Gemeinschaft, die von Beständigkeit und Rhythmus geprägt ist, gut und gesund entfalten. Um ihnen darin eine verlässliche Stütze zu sein, begleitet ein*e Waldorfklassenlehrer*in "seine" oder „ihre" Klasse nach Möglichkeit sechs bis acht Jahre lang und unterrichtet jeden Morgen mindestens die ersten beiden Stunden eines Schulvormittags. In wechselnden „Epochen“ bringt sie oder er den Schüler*innen jeweils über mehrere Wochen den Stoff unterschiedlicher Themengebiete nahe. Dabei lernen sie die Schüler*innen sehr gut kennen und können individuell auf ihre Stärken und Schwächen eingehen.

Was ist unter „Epochenunterricht“ zu verstehen?

Während der ersten beiden Stunden eines Schulvormittags arbeitet die Klasse über mehrere Wochen intensiv an jeweils einem Fachgebiet. So

haben sie zum Beispiel drei Wochen lang jeden Morgen zwei Stunden Mathematik, Geografie, Deutsch, Geschichte oder ein anderes Hauptfach. Nach einigen Wochen wechselt der Inhalt der Epoche zu einem anderen Thema, sodass die Schüler*innen sich intensiv damit verbinden. Grundfertigkeiten wie Rechnen oder Schreiben festigen die Schüler*innen über den Epochenunterricht hinaus in fortlaufenden Übstunden. Im Anschluss an den Epochenunterricht übernehmen Fachlehrer*innen den Unterricht in Sport, Fremdsprachen, Eurythmie, Religion, Musik und in den handwerklich-künstlerischen Fächern.

Kann eine Lehrkraft überhaupt in allen Fächern qualifiziert sein?

Klassenlehrer*innen decken an einer Waldorfschule tatsächlich ein großes Spektrum an Fächern ab. In besonderen Ausbildungswegen, die sie in einem Vollstudium oder postgraduiert im Anschluss an eine wissenschaftliche oder pädagogische Ausbildung an einem der Seminare im Bund der Freien Waldorfschulen oder an einer Hochschule mit Waldorfqualifikation durchlaufen, werden sie gezielt darauf vorbereitet. Für Klassen-, Fach- und Oberstufenlehrer*innen gilt gleichermaßen, dass ihre Ausbildung mindestens gleichwertig zur staatlichen Ausbildung sein

muss. In der Unter- und Mittelstufe liegt der Schwerpunkt allen Lernens nicht nur auf der Vermittlung reinen Fachwissens, sondern es geht auch darum, den Schüler*innen eine lebendige, erfahrungsgesättigte Beziehung zu den Lerninhalten zu ermöglichen. So kann Lernen Freude machen – ein Leben lang.

Wie werden die Jugendlichen in der Oberstufe auf die Berufswelt vorbereitet?

In der Oberstufe unterrichten in allen Fächern akademisch oder handwerklich ausgebildete Lehrer*innen die Jugendlichen. Die praktischen Fähigkeiten, die die Schüler*innen sich über die gesamte Schulzeit hinweg angeeignet haben, finden nun Ergänzung durch Praktika: In einem Landwirtschafts-, Forst-, Vermessungs-, Betriebs- und Sozialpraktikum erhalten die jungen Menschen eine lebensnahe Ausbildungsgrundlage. Der eigentliche Sinn der Praktika liegt nicht in der Berufsfindung, sondern vor allem im Erüben wichtiger sozialer Fähigkeiten.

Werden die Kinder an der Waldorfschule weltanschaulich unterrichtet?

Die von Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie ist eine Erkenntnishilfe für die Lehrenden, zu keinem Zeitpunkt aber ist sie Gegenstand des Unterrichts. Da die Waldorfschule eine überkonfessionelle Schule ist, entscheiden zunächst die Eltern, welchen Religionsunterricht ihr Kind besuchen soll. Später entscheiden die Jugendlichen das dann selbst.

Was hat es mit dem Fach Eurythmie auf sich?

Eurythmie (wörtlich: guter, auch schöner Rhythmus) ist eine Bewegungskunst, die an Waldorfschulen in allen Klassen unterrichtet wird. Im Unterschied zu gymnastischen, pantomimischen oder tänzerischen Bewegungen, die völlig frei gestaltet werden können, gibt es in der Eurythmie für jeden Sprachlaut und jeden Ton eine ganz bestimmte Gebärde – es handelt sich also um sichtbar gemachte Sprache und Musik. In der Lauteurythmie stellen die Schüler*innen zum Beispiel dar, was in einem Gedicht an Lauten lebt, und in der Toneurythmie, was in den Tonintervallen einer musikalischen Komposition lebt.

Welche Rolle spielen die Naturwissenschaften an der Waldorfschule?

Der naturwissenschaftliche Unterricht stützt sich zwischen dem vierten und achten Schuljahr auf das präzise Beobachten biologischer, physik-alischer und chemischer Phänomene und auf das selbstständige Entdecken der jeweiligen Gesetzmäßigkeiten. Vom 9. Schuljahr an treten abstrakte Modellvorstellungen und die Begriffsbildungen der modernen Naturwissenschaften in den Vordergrund, wobei weiterhin ein ergebnisoffener, forschender, auf eigenen Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen beruhender Unterricht praktiziert wird. Eine in Österreich durchgeführte PISA-Studie zu den Naturwissenschaften bescheinigt Waldorfschüler*innen weit überdurchschnittliche naturwissenschaftliche Kompetenzen und führte dies ausdrücklich auf die als vorbildlich bezeichneten phänomenologischen Unterrichtsmethoden zurück. 

Welche Rolle spielen digitale Medien an der Waldorfschule?

Medienpädagogik ist fester Bestandteil im Lehrplan der Waldorfschulen. Sie beginnt zunächst als eine "indirekte Medienpädagogik", bei der die jüngeren Kinder die Welt mit allen Sinnen erfahren und sich kreativ und fantasievoll anhand unterschiedlicher Materialien mit ihr auseinandersetzen. Dabei entwickeln sie ihre Urteilsfähigkeit, die eine notwendige Voraussetzung für den selbstständigen Umgang mit digitalen Medien ist. Diese werden nach umfassenden Erfahrungen mit analogen Medien Schritt für Schritt in den Unterricht eingeführt, wobei neben der praktischen Handhabung vor allem ein echtes Verständnis der technologischen Grundlagen und Funktionsweise des Internets wichtig wird, das in der Oberstufe bis zu Reflexion der weltweiten gesellschaftlichen Wirkungen dieser Technologien reicht und zu einem mündigen Umgang mit digitalen Medien führt.

Quelle der Inhalte: „Bund der Freien Waldorfschulen e.V.“

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